Kill Shot: Victor 4 - Thriller (German Edition) by Tom Wood

Autor:Tom Wood [Wood, Tom]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Goldmann Verlag
veröffentlicht: 2015-03-18T04:00:00+00:00

Kapitel 42

Wenige Minuten später hielt er an. Noch bevor der Wagen endgültig zum Stehen gekommen war, machte Gisele die Tür auf.

»Ich lasse den Motor laufen«, sagte er. »Beeilen Sie sich. Wenn Sie eine Hupe hören, dann müssen Sie so schnell wie nur möglich wieder rauskommen. Verstanden?«

Sie nickte, ohne ihn anzuschauen. »Alles klar.«

Auf dem Vorhof der Reparaturwerkstatt standen keine anderen Autos. Er war bis dicht vor den Ladeneingang gefahren. Sie hastete die paar Schritte bis zur Tür, drückte sie mit der Schulter auf und trat in die Wärme. Nach der langen Zeit im Auto musste sie die Augen zusammenkneifen, so hell kam ihr das Licht der Leuchtstoffröhren vor. Sie suchte nach einem Hinweisschild für die Toiletten. Über einer Tür neben der Ladentheke sah sie es.

»Sie müssen zuerst etwas kaufen«, sagte der junge Mann hinter der Kasse.

»Ich will mir nur ein bisschen Wasser ins Gesicht spritzen. Ich beeile mich auch. Bitte.«

Schon bevor sie zu Ende gesprochen hatte, schüttelte er den Kopf. »Sie müssen etwas kaufen.«

Gisele seufzte und klaubte in ihren Taschen ein bisschen Kleingeld zusammen. Sie legte die Münzen auf die Theke und steuerte die Toilette an.

»Was wollen Sie denn haben?«, sagte der junge Mann.

Sie stieß die Tür auf. »Irgendwas. Ist mir egal. Suchen Sie sich was aus.«

Dann verriegelte sie von innen die Tür und lehnte sich dagegen. Sie holte Luft, in tiefen, gierigen Zügen, bis sie sich an die Worte ihres Begleiters erinnerte. Sie verlangsamte ihren Atem und wurde ein wenig ruhiger. Sie musste gar nicht aufs Klo. Sie wollte sich auch kein Wasser ins Gesicht spritzen. Sie wusste überhaupt nicht mehr, was sie denken oder tun sollte. Sie hatte schätzungsweise fünf Minuten, dann würde er kommen und nach ihr sehen. Gisele betrachtete ihr Spiegelbild in dem kleinen Spiegel über einem Waschbecken voller Kalkablagerungen. Das harte Licht behandelte sie alles andere als schmeichelhaft. Sie lag ohnehin ständig im Clinch mit ihrem Teint, aber jetzt war auch noch die Schminke verschmiert und die Mascara verlaufen. Sie war blass und abgespannt, und ihre Augen waren rot und geschwollen. Ihre Haare waren zerzaust. Wobei das alles jetzt ohnehin keine Bedeutung mehr hatte.

Sie holte ihr Handy aus der Jackentasche, drückte den Daumen auf das Display und gab den Code ein, um es zu entsperren. Sie hatte zahllose SMS, Anrufe, Updates und Benachrichtigungen erhalten, die jetzt um ihre Aufmerksamkeit buhlten, aber sie ignorierte sie alle und drückte auf das Symbol für ANRUFEN. Dann tippte sie die Notrufnummer ein.

Ihr Daumen schwebte über dem Telefonsymbol.

Wir können nicht zur Polizei gehen, hatte er gesagt. Natürlich. Was sollte er auch sonst sagen? Er hatte mindestens zwei Männer umgebracht und einen von ihnen gefoltert. Er war mindestens so böse wie die Leute, die hinter ihr her waren, wer immer das sein mochte. Sie kannte ihn nicht. Sie wusste nicht einmal, wie er hieß. Er hatte sie gerettet, aber vor wem? Im Prinzip konnten die Männer, die sie gefangen nehmen wollten, sogar die Guten sein. Ihr Begleiter jedenfalls war ganz sicher keiner von den Guten. Zugegeben, die Polizei war bis jetzt keine allzu große Hilfe gewesen, aber sie verstand durchaus, warum.

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